Feste Abholzeiten als wichtiger Bestandteil der OGGS in Norderstedt

Seit Gründung der ersten offenen Ganztagsschulen (OGGS) im August 2014 gibt es Diskussionen um die festen Abholzeiten zur vollen Stunde. Fakt ist: Kein Kind wird während des Mittagessens, der Hausaufgaben, Kursbesuche oder während des Unterrichts am Vormittag abgeholt. Es geht also um die Zeit zwischen 14:00 und 16:00 Uhr. In dieser Zeit haben die Kinder die Möglichkeit, an den vielfältigen Angeboten der pädagogischen Mitarbeiter teilzunehmen oder sich dem freien Spiel zu widmen.

Die Bedeutung des freien Spiels erschließt sich oft nicht unmittelbar. Kinder bilden sich und lernen im Spiel, denn Spielen fördert die Gehirnentwicklung und ist für eine gesunde Entwicklung von Kindern essenziell. Aus der Gehirnforschung weiß man, dass völlig absichtsloses Spielen für die besten Vernetzungen im Gehirn sorgt. Im Spiel eignen sich Kinder Kreativität an. Wenn Kinder in unterschiedliche Rollen schlüpfen und neue Denkweisen kennenlernen, erschließen sie sich die verschiedensten Denkweisen und Strategien. In den vergangen Jahren ist die Freizeit, die Kindern zur Verfügung steht, jedoch so drastisch zurückgegangen, dass zahlreiche Experten, unter anderem der deutsche Hirnforscher Gerald Hüther inzwischen Alarm schlagen.

In der Freispielzeit lernen die Kinder ihre Bedürfnisse zu erkennen: Möchte ich lieber etwas Ruhiges machen oder toben? Mag ich mich konzentriert in eine Sache vertiefen oder mich lieber einem anderen Kind oder einer Gruppe zuwenden? Ziehe ich es vor, einen Erwachsenen dabei zu haben oder möchte ich lieber unbeobachtet sein? Die Fähigkeit zu spüren, was einem gut tut, es sich dann auch zu wählen und seinen Tag aktiv und selbstbestimmt zu gestalten, wird für das ganze Leben wichtig bleiben. Diese Kompetenz erwerben Kinder nicht, wenn sie von einer angeleiteten Aktivität zur nächsten geführt werden.

Auch sozialen Umgang lernen die Kinder ganz besonders im Zusammenspiel mit anderen: Wie kann ich bei meinen Wünschen bleiben, ohne dass andere sich zurückgewiesen fühlen? Wie finde ich einen guten Weg in eine Gruppe? Wann ordne ich mich ein, wann ist es mir wichtig, meinen Standpunkt durchzusetzen? Kinder verhandeln Spielregeln und treffen Absprachen, wenn diese sich ändern. Remo Largo (in Gebauer/ Hüther 2003), ein bekannter Schweizer Kinderarzt und Fachbuchautor, formuliert zum Spielen: „Das Spiel wurzelt in dem genuinen Bedürfnis des Kindes, sich mit seiner sozialen und materiellen Umwelt vertraut zu machen, sie zu begreifen und auf sie einzuwirken. Die treibenden Kräfte sind seine Neugier und Eigenaktivität.“

Außerdem können sich die Kinder in der Zeit von 14:00-16:00 Uhr täglich spontan entscheiden, an welchen angeleiteten Aktivitäten der pädagogischen Mitarbeiter sie teilnehmen möchte. Auch hier stehen das Interesse und die Bedürfnisse der Kinder Januar 2019 im Vordergrund: Möchte ich heute kreativ sein, experimentieren in der Sporthalle toben oder doch lieber frei spielen?

Es ist uns sehr wichtig, dass die Kinder im OGGS-Alltag diese Angebote und das freie Spiel ohne Unterbrechung und Störung erleben können, daher sind für uns die festen Abholzeiten von großer Bedeutung. Nur so können wir unserem festgeschriebenen Bildungsauftrag nachkommen, in dem das freie Spiel einen gleich hohen Stellenwert hat wie die anderen Einheiten des Schulalltags.

Eine flexible Abholung wäre aufgrund der hohen Kinderzahl auch ein großer organisatorischer Aufwand. Durch fortwährende Kontrolltätigkeit hätten die Mitarbeiter der BEB für pädagogische Bildungsarbeit keine Zeit mehr. Während des freien Spiels beobachten und begleiten die pädagogischen Mitarbeiter die Kinder und erfahren so, wo ihre Interessen und ihre Stärken liegen, welche Themen sie beschäftigen.

Dennoch gibt es Sonderregelungen für Arzt- oder andere Gesundheitstermine, die mit der jeweiligen BEB-Leitung vor Ort abgesprochen werden können.

 

Weiterführende Literaturhinweise bei Interesse:

  • Gerald Hüther, Christoph Quarch: Rettet das Spiel!, Hanser Verlag
  • Herbert Renz-Polster: Menschenkinder Artgerechte Erziehung – was unser Nachwuchs wirklich braucht, Kösel Verlag
  • Geo Heft Ausgabe 11, 2018 Das spielerische Leben - warum spielen so wichtig für uns ist